Digitalisierung erfordert eine hoch-performante Infrastruktur
Der traditionelle „Dschungelführer durch den Telekommunikationsmarkt“ für 2020 ist vor wenigen Tagen erschienen. Darin enthalten ist eine gelungene Mischung aus spannenden Insider-Beiträgen, darunter auch ein Beitrag von Jens Böcker zum Thema „Digitalisierung erfordert eine hoch-performante Infrastruktur“ sowie ein aktuelles Branchenverzeichnis.
Digitalisierung erfordert eine hoch-performante Infrastruktur
Die USA werden bei der Digitalisierung immer wieder als Benchmark herangezogen. Digitale Geschäftsmodelle entwickeln sich dort meist schneller: Neue Technologien werden umgehend ausprobiert, bestehende Geschäftsmodelle in Frage gestellt und neue, auf den Chancen der Digitalisierung basierende Lösungen entwickelt. Auch wird deutlich mehr investiert und ein höheres Investitionsrisiko seitens der Investoren getragen. Eigene Erfahrungen bei einem Besuch im Silicon Valley haben gezeigt, dass sich der US-amerikanische und der deutsche Blickwinkel im Punkt Digitalisierung deutlich unterscheiden. In Deutschland steht oftmals die Verfügbarkeit von Bandbreite als Grundvoraussetzung für digitale Entwicklungen im Vordergrund. Dabei wird von Unternehmen und privaten Haushalten mit Blick auf unsere europäischen Nachbarn immer wieder der langsame Glasfaserausbau kritisiert. Die Diskussion um das Potential der Digitalisierung kommt dabei häufig zu kurz. In den USA zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. Die Diskussion dort fokussiert sich nicht mehr ausschließlich auf die zur Verfügung stehende Bandbreite, sondern bereits auf die Kernfrage, welche nutzenstiftenden digitalen Dienste entwickelt und im Markt angeboten werden können.
Insbesondere für Unternehmen wird die Nutzung der Chancen der Digitalisierung und die damit verbundene digitale Kompetenz zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil. In der noch immer aktuellen Studie des The Economist (Intelligence Unit, Big Data Evolution 2015) konnte nachgewiesen werden, dass Unternehmen mit einer hohen Datenkompetenz wirtschaftlich erfolgreicher sind. Demnach zeigen strategische Datenmanager – also Unternehmen, die systematisch ihre Daten nutzen – in 37% der Fälle eine deutlich stärkere finanzielle Performance als Wettbewerber. Ganz anders sieht es bei Unternehmen aus, die ihre Daten ungenutzt lassen. Von diesen Unternehmen sind lediglich 9% finanziell deutlich erfolgreicher als ihre Wettbewerber. Ein Drittel der befragten Unternehmen weisen eine schwächere oder sogar deutlich schwächere finanzielle Performance als ihre Wettbewerber auf, sofern sie der Kategorie „Datenverschwender“ angehören. Das Sammeln, Analysieren und Interpretieren von Daten ist demnach „Pflicht“. Vor allem lassen sich zwei positive Effekte feststellen: Zum einen können Unternehmen auf Basis der vorhandenen Daten Kunden besser einschätzen und spezifische Angebote unterbreiten. Das führt zu verbesserten Cross- und Up-Selling-Angeboten und setzt damit positive Impulse für die Neukundengewinnung, Kundenbindung und -entwicklung. Zum anderen lassen sich Prozesse optimieren und damit verbundene Kostenvorteile realisieren. Dies führt zu einer höheren Profitabilität und der Möglichkeit überdurchschnittlich zu investieren (z.B. Amazon). Die Kombination beider Effekte bildet die Basis für Wettbewerbsvorteile im Markt. Ebenso bei Privatkunden ist eine Entwicklung hin zum digitalen Lifestyle festzustellen. Smart Home, Connected Car, die Nutzung von Online-Diensten und Cloud-Services sowie das Streamen von Filmen und Serien führen zu einem stetig wachsenden Datenvolumen sowie steigenden Down- und Upload-Raten.
Um den Anforderungen von Unternehmen und Privatkunden gerecht zu werden, müssen zum einen technische Standards, vor allem aber eine leistungsstarke und flächendeckende digitale Infrastruktur vorhanden sein. Erst durch deren Bereitstellung kann sich die Diskussion zur „ausreichenden Bandbreite“ zu einer intensiveren Diskussion um die „attraktiven Nutzungsmöglichkeiten auf Basis dieser Bandbreite“ entwickeln und die Chancen, die sich durch die Digitalisierung ergeben, auch tatsächlich realisiert werden. Allerdings sind in Deutschland noch einige Hausaufgaben zu machen. Die Notwendigkeit, entsprechende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen, spiegelt sich auch in den Zahlen der BREKO Marktanalyse19 wider. Befragt wurden für die Studie deutschlandweit 183 Netzbetreiber des BREKO. So wird in der Studie mit dem jährlich um ca. 30% steigenden Datenvolumen einer der Hauptgründe für die notwendige Weiterentwicklung der Infrastruktur genannt. So wird für 2025 beispielsweise durchschnittlich ein monatliches Datenvolumen von 825 GB pro Festnetzanschluss erwartet. 2015 lag dieser Wert lediglich bei 47 GB, was einer Steigerung um circa den Faktor 18 innerhalb von 10 Jahren entspricht.
Vor dem Hintergrund der steigenden Datenmengen ist die Nachfrage nach ultraschnellen Bandbreiten – insbesondere durch Geschäftskunden – keine Überraschung. Bis 2025 wird der Bedarf hier bei ca. 1.100 MBit/s im Upload und ca. 1.300 MBit/s im Download liegen. Für Privatkunden prognostizieren die befragten Netzbetreiber bis 2025 eine durchschnittliche Nachfrage von 223 MBit/s im Upload und 505 MBit/s im Download. Diese Zahlen zeigen eine Besonderheit: Symmetrische Bandbreite ist heute primär ein Dienst für Geschäftskunden. Es ist jedoch festzustellen, dass Privatkunden zukünftig ebenfalls symmetrische Bandbreite nachfragen werden. So ändert sich das Verhältnis zwischen Up- und Download-Raten bei Privatkunden 2019 zunehmend in Richtung Symmetrie (d.h. der in der nachfolgenden Abbildung angegebene Faktor wird „kleiner“). Dies spiegelt sich in den Antworten auf die Frage, welchen Stellenwert die Symmetrie für Privatkunden besitzt, wider. Nach Einschätzung der befragten Netzbetreiber wird die Bedeutung der Symmetrie für diese Zielgruppe in den nächsten drei Jahren erkennbar ansteigen. Aktuell schätzen lediglich 11% der Befragten den Stellenwert symmetrischer Bandbreiten als hoch ein. Die Prognose für 2022 beläuft sich demgegenüber auf einen deutlich höheren Wert von 40%.
Steigende Datenmengen sowie die zunehmend symmetrische Nachfrage erfordern Investitionen in die Netzinfrastruktur. Voraussichtlich werden 2020 zwischen 9 und 10 Mrd. Euro in Deutschland in den Netzausbau investiert, was einem Anstieg der Investitionen im moderaten einstelligen Prozentbereich (5-7%) entspricht. Anteilig ist davon auszugehen, dass die Wettbewerber der Deutschen Telekom „etwas mehr“ als die Deutsche Telekom selbst investieren. Laut Einschätzung der befragten Unternehmen soll die Anzahl verfügbarer Glasfaseranschlüsse (FTTB/H) bis 2022 auf rund 17 Mio. ansteigen. Davon werden ca. 5 Mio. Anschlüsse von der Deutschen Telekom und ca. 12 Mio. Anschlüsse von ihren Wettbewerbern zur Verfügung gestellt. Beim Netzausbau ist zu beobachten, dass Kooperationen zwischen den Netzbetreibern zunehmend wichtiger werden. 36% aller Ausbauprojekte erfolgen nach Aussage der BREKO-Netzbetreiber in Kooperation mit einem oder mehreren Netzbetreibern. Die Tendenz ist stark steigend; in den nächsten fünf Jahren werden fast drei Viertel aller Netzbetreiber eine Kooperation beim Netzausbau anstreben. Kooperationen sind aus volkswirtschaftlicher Sicht zu begrüßen, reduzieren sie doch den sog. „Doppelausbau“ (d.h. Bereitstellung von mind. zwei alternativen Technologien am gleichen Standort) und beschleunigen so den flächendeckenden Glasfaserausbau in Deutschland.
Angesichts der Notwendigkeit von Breitbandanschlüssen, den damit verbundenen Investitionen in Infrastruktur und verfügbare Glasfaseranschlüsse, gibt es einen erkennbaren „Wermutstropfen“. Die Zahlen zu den von den Netzbetreibern bereitgestellten und anschließend tatsächlich vermarkteten Anschlüsse fallen stark auseinander. In diesem Zusammenhang wird von der sogenannten Take-up-Rate gesprochen, die den Anteil der vermarkteten Anschlüsse an den verfügbaren Anschlüssen darstellt. Werden alle zur Verfügung stehenden Technologien betrachtet, beträgt die Take-up-Rate ca. 30%. Werden dagegen lediglich die verfügbaren bzw. vermarkteten Glasfaseranschlüsse betrachtet, liegt die Take-up-Rate mit 43% deutlich über der der herkömmlichen Anschlüsse. Die höhere Take-up-Rate bei Glasfaseranschlüssen belegt, dass Kunden den Vorteil von Glasfaser durchaus sehen und schätzen.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Bereitstellung von ausreichender Bandbreite die Voraussetzung für eine intensive Diskussion um das Potential der Digitalisierung darstellt. Eine zunehmend steigende Nachfrage nach höheren Bandbreiten ist im Markt erkennbar. Ursache hierfür ist die fortschreitende Digitalisierung, die damit verbundene Nutzung neuer Technologien und das Angebot datenintensiver Dienste. Dies betrifft sowohl Unternehmen, die zunehmend digitale Tools im Tagesgeschäft einsetzen als auch Privathaushalte, die immer selbstverständlicher u.a. Streaming-, Cloud- und vernetzte Lösungen einsetzen. Vor diesem Hintergrund sind die Netzbetreiber gefordert, die Digitalisierung mit dem Aufbau einer leistungsstarken Glasfaser-Infrastruktur zu unterstützen.